Die verschiedenen Benutzerklassen
Die Erwartungen eines Benutzers an die eingesetzte Software sind
sehr unterschiedlich. Dies kommt aufgrund der unterschiedlichen
Vorkenntnisse, Erfahrungen und Erwartungen zustande.
Um ein User Interface für möglichst viele Benutzer optimal zu gestalten,
werden die sehr unterschiedlichen Benutzer in einige wenige»Benutzerklassen« eingeteilt. Für jede dieser Klassen ergeben sich
verschiedene, zum Teil sogar gegensätzliche Anforderungen an ein
User Interface.
Im Folgenden gehen wir auf die Benutzerklassen »Unerfahrener
Benutzer«, »Gelegenheitsbenutzer«, »Routinebenutzer« und»Experte« im Detail ein und zeigen die für die jeweilige Benutzerklasse
resultierenden Anforderungen.
Unerfahrener Benutzer
Beispiel: Jemand, der sich eine neue Anwendung gekauft hat und
diese das erste Mal ausführt, wird der Benutzerklasse »Unerfahrener
Benutzer« zugeordnet.
Der unerfahrene Benutzer hat keine Erfahrung mit dem System.
Jeder Benutzer des Systems durchläuft dieses Stadium. Der unerfahrene
Benutzer kann systembezogene Codes (zum Beispiel spezifische
Icons) nicht eigenständig aufschlüsseln und benötigt umfangreiche
Hilfestellung in Form von Hinweisen und eindeutigen
textlichen Bezeichnern. Auch ist es sehr wichtig für die unerfahrenen
Benutzer, dass Symbole, Icons und Abläufe aus anderer, weit
verbreiteter Software übernommen werden. Ein einfaches Beispiel
hierzu ist die Positionierung des »x« ganz rechts oben zum Schließen
einer Anwendung. Diese Übernahmen von schon eingewöhnten
Symbolen und Abläufen wird als äußere Konsistenz bezeichnet,
da die neuen Softwaresysteme unbedingt konsistent zu anderen
verbreiteten Systemen sein sollten (siehe den Abschnitt »Äußere
Konsistenz« weiter hinten in diesem Kapitel).
Da jeder Benutzer in diesem Stadium die Nutzung eines Systems beginnt,
sollte jedes System auf diese Benutzerklasse ausgerichtet sein.
Ausnahme bilden Systeme, die über geringe Komplexität verfügen
und vollständig Routinebenutzer adressieren.
Gelegenheitsbenutzer
Beispiel: Fast jeder Benutzer eines Geldautomaten einer Bank kann
sicherlich dieser Benutzerklasse zugeordnet werden.
Der Gelegenheitsbenutzer arbeitet nur manchmal mit dem System.
Charakteristisch für den Gelegenheitsbenutzer ist, dass er sich
aufgrund fehlender Gewöhnung kein stabiles Modell vorn System
machen kann (siehe den Abschnitt »Wie Software verstanden wird«
weiter vorn in diesem Kapitel) und sich somit keine Gewohnheit im
Umgang mit dem System einstellt.
Im Gegensatz zum unerfahrenen Benutzer stellt sich dem Gelegenheitsbenutzer
in der Regel eine konkrete zu erfüllende AufgabensteIlung.
Als Anforderung an das System gilt zunächst alles, was für die
Benutzerklasse der unerfahrenen Benutzer gilt: klare Beschreibung
aller Elemente ohne Interpretationsspielraum. Als weiteren Punkt
lässt sich festhalten, dass Änderungen am User Interface für Gelegenheitsbenutzer
schwerwiegende Folgen haben können. Denn sie
erinnern sich vielleicht ohnehin nur punktuell an die letzte Nutzung
und werden durch Änderungen am User Interface zusätzlich
verunsichert.
Sollte klar sein, dass die Gelegenheitsbenutzer mit der Systematik
einer anderen Anwendung vertraut sind, so empfiehlt es sich, diese
aufzugreifen und dem Benutzer somit mit vertrauten Elementen
Stabilität zu geben. Dieser Sachverhalt gilt auch für die Benutzerklasse
der unerfahrenen Benutzer.
Routinebenutzer
Beispiel: Die Kassiererin an einer Kasse in einern Supermarkt nutzt
die Kassensoftware nach immer wiederkehrendem Schema.
Der Routinebenutzer arbeitet tagtäglich mit der Software. Er nutzt
sie, um konkrete, immer wiederkehrende AufgabensteIlungen zu
bewältigen. Sein Hauptinteresse ist es, die von ihm genutzten Operationen
möglichst effizient ausführen zu können.
Als Anforderung an ein User Interface ergibt sich, dass die Aufgaben
möglichst effizient ausführbar sein müssen. Erklärungen werden
nicht benötigt und sogar manchmal als störend empfunden. Somit
muss das User Interface über Möglichkeiten zur Anpassung verfügen.
Möglichkeiten zur Anpassung für Routinebenutzer:
Selbst definierbare Tastenkürzel
Voreinstellungen in Dialogfeldern (Beispiel: Viele Anwendungen
zeigen unter dem Motto »Wussten Sie schon?« beim Start einen
zufälligen Tipp zur Bedienung der Anwendung an. Diese lassen
sich für gewöhnlich deaktivieren: »Diesen Tipp beim nächsten
Start nicht mehr anzeigen«)
Aufzeichnung von Makros (Beispiel: Word bietet, wie in Abbildung
4.2 zu sehen, die Möglichkeit, alle Operationen in Form
von Makros aufzuzeichnen und anschließend programmatisch
auszuführen)
Anpassen des User Interface (Beispiel: Die Aufgabenleiste in
Windows XP unterstützt den Benutzer durch kontextsensitives
Funktionsangebot. Routinebenutzer können diesen Bereich
ausblenden. )
Abbildung 4.2: Makroaufzeichnung in Word
ermöglicht Routinebenutzern
das wiederholte Aufrufen
einer Befehlsfolge