Im vorherigen Kapitel haben Sie einige wichtige Grundlagen zum
Arbeiten mit Expression Blend erfahren. In diesem Kapitel ergänzen
wir nun die Grundlagen um die technologie-unabhängigen Grundlagen
des User-Interface-Designs. Sie beschäftigen sich nicht mit
spezifischen Aspekten von WPF oder Silverlight, sondern sind bei
jeglicher Gestaltung von User Interfaces von enormer Wichtigkeit.
Die Grundlagen des User-Interface-Designs rücken den Benutzer
der Anwendung in den Vordergrund. Im ersten Abschnitt dieses
Kapitels wird verdeutlicht, wie ein Benutzer eine Anwendung überhaupt
wahrnimmt. Im folgenden Abschnitt wird eine Möglichkeit
aufgezeigt, wie Benutzer klassifiziert werden können und welche
Anforderungen an das User Interface sich aus den einzelnen Klassifikationen
ergeben. Der Abschnitt»Die acht goldenen Regeln des
UI-Designs« zeigt dann konkrete Richtlinien für die Gestaltung von
User Interfaces auf, die sich seit Jahrzehnten bewährt haben.
Die in diesem Kapitel erläuterten Sachverhalte finden in den KapiteIn
5 bis 9 praktische Anwendung und zeigen deren Wichtigkeit am»lebenden« Objekt.
Wie Software verstanden wird
Eine Anwendung ist in der Regel so komplex, dass vorn User Interface
nie das gesamte Funktionsspektrum gleichzeitig visualisiert
wird. Nur die für die gerade ausgeübte Tätigkeit relevanten Informationen
und Funktionen sollten dem Benutzer zur Verfügung
stehen.
Abbildung 4.1 zeigt, wie einzelne Ausschnitte einer Anwendung
vorn Benutzer wahrgenommen werden.
Zugrunde liegt die eigentliche Anwendung mit ihrem gesamten
technischen Funktionsspektrum. Dieses Funktionsspektrum wird
dem Benutzer über das User Interface visualisiert. Dabei bildet es
immer nur einen kleinen Teil der gesamten Anwendung ab, und
zwar möglichst genau so viel, wie der Benutzer zur Erfüllung seiner
aktuellen Aufgabe benötigt. Der Benutzer macht sich somit aus den
Einzelteilen der Visualisierung ein Bild von der gesamten Anwendung.
Anders ausgedrückt: Der Benutzer erhält durch das UI einen
Eindruck von dem, was die Anwendung im Gesamten kann.
Dass dieser Eindruck häufig täuschen kann, macht ein interessanter
Sachverhalt deutlich: Zu Beginn der Entwicklung von Office 2007
bat Microsoft um Feedback von Benutzern, die sich zu wünschenswerten
neuen Funktionen äußern sollten. Das Ergebnis dieses
Feedbacks war, dass sich überraschend viele Benutzer Funktionen
gewünscht haben, die bereits in der aktuellen Office-Version zu
finden waren. Es war unter anderem dieser Sachverhalt, der zur
Entwicklung des neuen Office-UI führte.
Aber er zeigt auch genau, wie wichtig es ist, den Eindruck zu berücksichtigen,
den der Benutzer von der Software erhält. Nur wenn
das wissenschaftlich als »Gedankenmodell« bezeichnete Abbild
der Anwendung im Kopf des Benutzers in etwa der tatsächlichen
Anwendung entspricht, kann es zuverlässig die Erwartung des
Benutzers an die Anwendung erfüllen. Das bedeutet nicht, dass die
Anwendung vollständig visualisiert werden muss, sondern dass der
Benutzer die Anwendung und deren Verhalten als Ganzes verstehen
können muss.
Ein User Interface ist dann
gut gestaltet, wenn sich
das Programm genau so
verhält wie der Anwender es
erwartet.
Abbildung 4.1: Die Anwendung,
die Abbildung der
Anwendung durch das User
Interface und die Vorstellung
der Abbildung beim Benutzer